Essen, Trinken, Tanzen - lettische Kultur und Traditionen

 

Eine Frage, die mir ziemlich häufig gestellt wird, ist die nach dem altbekannten Phänomen „Kulturschock“. Und so sehr mancher Fragensteller dann auf die Ausmalung von Verwirrung und großen Unterschieden meinerseits hofft, einen richtigen Kulturschock kann man als Deutsche in Lettland schwer erleben. Das liegt wohl vor allem daran, dass die deutsche Kultur lange Zeit großen Einfluss auf das Baltikum hatte, was vor allem in Bezug auf die Esskultur auffällt. Kartoffeln, Brot, Schnitzel, Sauerkraut – dass außerdem die Namen vieler Gerichte dem Deutschen ähneln, macht mir das Leben schon leichter. Besonders stolz sind die Letten auf ihr dunkles Roggenbrot – eine Begeisterung, die ich eher weniger teilen kann. Ähnlich schwierig fällt mir das Genießen von kefīrs. Bis jetzt konnte mir noch niemand erklären, was genau es mit diesem Getränk auf sich hat – wenn man sich eine Mischung aus Milch und Joghurt mit dem Geschmack von Sauercreme vorstellt, kommt man aber wohl relativ genau heran. Andere typisch lettische Produkte sind außerdem kvasa (in etwa alkoholfreies Bier aus Roggenbrot) und šprotes (vielleicht vergleichbar mit Ölsardinen im Miniaturformat). Die Bierkultur in Lettland brächte traditionsbewusste Deutsche wohl außerdem ins Schwitzen. Die Letten brauen gerne – sind jedoch weitaus experimenteller als das in Deutschland denkbar wäre. So besteht ein Bier hier nicht nur reinheitsgebotsgetreu aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser, sondern bekommt von Zutaten wie Himbeeren, Johannisbeeren oder Honig noch eine ganz eigene Note. Generell gilt für die lettische Küche: deftig mit viel Fleisch, Milchprodukten, Kartoffeln und Brot.

 

Doch Lettland verfügt auch noch über ein kulturelles Erbe, das weitaus älter ist als deutsche Besatzungen und Einflüsse. Dabei handelt es sich um Überbleibsel aus der vorchristlichen Zeit: heidnische Symbole und Feste sowie Volkstänze und Volkslieder. So ist zum Beispiel das Mittsommernachtsfest Jāņi wichtiger als Weihnachten und die Teilnahme an Volkstanzgruppen ein beliebtes Hobby bei Jung und Alt. Bei lettischen Festen kann jeder spontan mittanzen, da die Schritte zu den dainas (Volksliedern) meist ziemlich einfach gehalten sind. 

 

Eines der vielen Events anlässlich der 100-Jahrfeier: Ein Straßenfestival mit Handwerksständen, Musik und Tanz in Riga. Mitmachen kann jeder! :) 

 

 

Es gibt aber natürlich auch spezielle Aufführungen durch Volkstanzgruppen, selbstverständlich in bühnentauglichen Outfits. Hier zu sehen ist eine Seniorinnentanzgruppe, die ihr Können bei einem Dorfevent unter Beweis stellt. 

 

 

Die alten heidnischen Symbole sind stets im Trend und werden durch Mützen, Pullover, Ketten oder Tattoos gerne zur Schau gestellt. Besonders befremdlich ist für mich immer noch die Tatsache, dass auch die Swastika (aka das Hakenkreuz) als eines dieser glück- und heilbringenden Symbole angesehen wird und dementsprechend zur Schau gestellt wird. Als ich das erste Mal jemanden mit Hakenkreuz-Kette auf der Straße sah, war ich unglaublich geschockt. Mittlerweile kann ich zwar nachvollziehen, dass dieses Symbol für die Letten eine viel ältere Bedeutung und Tradition hat, daran gewöhnen werde ich mich so schnell aber wohl nicht. An den Touristenständen in Riga, die ihr Geschäft mit dem Verkauf ebensolcher Glücksbringer machen, wird – kulturell ganz aufmerksam – jedoch auf die Verwendung der Swastika in Reinform verzichtet.

 

Alles in allem kann ich bis jetzt sagen, dass lettische Kultur und Traditionen viel zu bieten haben. Sie wirken außerdem sehr authentisch auf mich, da sie nicht nur als Touristenfänger eingesetzt, sondern auch von der lokalen Bevölkerung ausgeübt und zelebriert werden. Letten sind unglaublich stolz auf ihr Land, ihre Kultur und alten Traditionen. Deswegen freue ich mich schon darauf, mehr über die Bräuche zu erfahren und selbst daran teilzunehmen.

 

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